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In diesem Kapitel finden Sie Informationen zu folgenden Themen:

  • Reaktive Depression
  • Erschöpfungsdepression
  • Dythymie
  • Phasische (endogene, Major)Depression
  • Weitere Formen
  • Ursachen
  • Behandlung
  • Literatur

Die depressive Verstimmung ist das einfühlbarste aller seelischen Leiden. Wir alle sind immer wieder einmal depressiv verstimmt. Äußere Ereignisse wie Trennung oder Tod lassen uns depressiv reagieren. Aber auch banale Enttäuschungen des Alltags können uns deprimieren. Wir sind anfälliger, wenn wir in körperlich schlechter Verfassung sind oder wenn wir körperlich krank sind. Schon wenn wir unausgeschlafen sind, zeigt sich unsere Empfindlichkeit für depressive Anflüge.
Wenn sich die Verstimmung in einen situativen oder komplexen Lebenszusammenhang einordnen lässt oder wenn äußere Gründe für die Verstimmung vorliegen, ist die Situation eine andere als wenn wir es mit einer tiefer gehenden depressiven Verstimmung zu tun haben. Sie wird nicht binnen kurzem von allein, durch Ruhe oder psychotherapeutische Bearbeitung verschwinden. Der Gedanke an eine medikamentöse Behandlung ist dann berechtigt.
Die Klassifikation depressiver Störungen hat sich in den letzten Jahren wiederholt geändert. Die neurotische Depression taucht nicht mehr auf, die frühere endogene Depression heißt jetzt Major Depression. Wo eine Einordnung depressiver Störungen in einen Kontext zu Teilursachen möglich ist, ist diese weiterhin hilfreich. Zum einen beeinflusst dieses Wissen das Vorgehen in der Behandlung, zum andern gibt es eine gewisse Orientierung über den Verlauf, die Betroffenen wie Behandelnden Sicherheit und eine Grundlage für Hoffnung bietet.

Reaktive Depression

Depressive Verstimmungszustände als Reaktion auf Ereignisse sollten nicht mit Psychopharmaka verschüttet werden. Sie sind im Regelfall sowohl durch psychotherapeutische Maßnahmen eines Arztes wie durch stützende Zuwendung von Freunden, Verwandten, Kollegen, Vorgesetzten oder Lehrern gut abzufangen und aufzuarbeiten. Auch bei reaktiven Depressionen kann es krisenhafte Zuspitzungen oder extreme Belastungssituationen geben. Dann kann die Sicherstellung des Schlafes durch eine kleine Menge eines Tranquilizers, in Ausnahmefällen auch eine sehr kleine Menge über den Tag verteilt, helfen, die unerträglich scheinende Belastung durchzustehen.
Solch ein Eingriff ist besser als die häufig empfohlene und geübte Praxis, beim Alkohol Entspannung zu suchen. Entscheidend ist, dass die medikamentöse Stütze tatsächlich eine vorübergehende bleibt, d. h. sich nur auf einige Tage bis zu zwei Wochen beschränkt.

Erschöpfungsdepressionen

Tiefergehender als die reaktive Depression ist die Erschöpfungsdepressionen. Sie entwickelt sich aber häufig aus dieser, wenn der Betroffene keine Gelegenheit zur Erholung findet.Wann immer möglich sind erste therapeutische Maßnahmen die Entfernung aus dem Konflikt- und Belastungsfeld, die Sicherstellung von ausreichend Schlaf und körperlicher Erholung. Urlaub oder Kur sind eine Möglichkeit.
Häufig steht gerade diese Entscheidung Betroffenen aber nicht offen. So kann eine Mutter von zwei kleinen Kindern nicht beliebig Urlaub machen. Oder eine Arbeitsstelle, die wegen Erschöpfungsdepression nur ungenügend ausgefüllt wurde, kann verloren gehen, wenn sich an die Krankheitszeit noch eine Kur anschließt. Heute spricht man in diesem Zusammenhang oft von »Burnout«. Die frühere »neurotische« Depression entspricht in der Symptomatik den reaktiven und Erschöpfungsdepressionen. Dahinter steht nur ein anderes Krankheitskonzept: die Verursachung durch Kindheitstraumata.

Dysthymie

Neben der reaktiven Depression steht »rezidivierende (wiederkehrende) depressive Störung«, »Dysthymie« und »dysthyme Störung«. Diese Form der Depression ist im Gegensatz zur reaktiven keine vorübergehende Erscheinung. Sie wird nicht durch ein genau zu ortendes äußeres Ereignis ausgelöst. Die Depressivität ist in diesem Fall ein Persönlichkeitsmerkmal, das je nach Lebenssituation stärker oder geringer ausgeprägt, aber latent immer vorhanden ist.
Psychotherapeutische Hilfe ist möglich, aber nicht jede depressive Persönlichkeit ist behandlungsbedürftig. Auch hier kann in Krisen eine Behandlung mit Tranquilizern besser sein als Zuflucht zum Alkohol oder beliebige Selbstmedikation. Ein Medikament in der Handtasche ist häufig fast so wirksam wie im Blut. Die medikamentöse Behandlung mit Tranquilizern ist nur als Überbrückung einer unerträglichen Phase zu betrachten. Eine Suchtgefahr ist vorhanden, zumal die depressiven Verstimmungszustände in der Regel nicht dauerhaft verschwinden.
Die Behandlung mit einem niedrig dosierten Antidepressivum kann eine gute Alternative zu einem Tranquilizer sein. Da solche Symptome in vielfältiger Weise auch in anderen Zusammenhängen auftreten, ist die Diagnose mit Vorsicht zu stellen. Sie darf kein Sammeltopf für unklare Situationen werden. Eine Behandlung mit Antidepressiva kann sinnvoll sein.
Häufig sind dysthyme Störungen begleitet von anderen Störungen wie Magersucht, Abhängigkeit von psychotropen Substanzen, Angst oder chronischen körperlichen Erkrankungen. Hier gilt es im Einzelnen fachkompetent abzuwägen, welches die geeignete Behandlung ist.

Phasische (endogene, Major) Depression

Diese schwerste Form der Depression verläuft in mehr oder weniger langen Phasen. Sie kann auch psychotische Symptome aufweisen. Depressivät und Antriebsstörungen sind in der Regel ausgeprägter als bei anderen Depressionsformen. Das Leben steht wie ein Berg vor einem; der Alltag scheint nicht bewältigbar. Depressive Episoden können – ähnlich wie schizophrene Episoden – einmal bis viele Male im Leben eines Erkrankten auftreten.
Im Unterschied zu schizophrenen Episoden dauern die einzelnen akuten Phasen in der Regel länger. Aber auch hier gibt es Phasen von wenigen Wochen bis zu mehr als einem Jahr. Je nach Ausprägung der Verstimmung können Minderwertigkeitsgefühle bis schwerste Selbstzweifel und Suizidgedanken oder -impulse auftreten, Schlafstörungen, Appetitverlust und vielfältige körperliche Beschwerden in Form von Unwohlsein, Schmerzen und vielem anderen mehr.
Die neueren Diagnosesysteme unterscheiden zwischen Episoden mit und ohne somatische Symptome sowie mit und ohne psychotische Symptome. Damit ist gemeint, dass zu den Merkmalen, die wir einer Depression zuordnen, auch Wahngedanken, gelegentlich sogar Halluzinationen hinzutreten können.

Weitere Formen

Nicht selten treten nach Abklingen der akuten psychotischen Symptome einer schizophrenen Erkrankung depressive Phasen auf, die leicht, aber auch schwer ausgeprägt sein können. Bis zu einem gewissen Grad kann eine solche depressive Verstimmung eine Reaktion auf die Auseinandersetzung mit der Krankheit sein. Die depressive Verstimmung kann aber auch so schwerwiegend werden und von so vielen körperlichen Symptomen begleitet sein, dass sie eine gesonderte Behandlung erfordert.
Hier bedarf es erfahrener Spezialisten, um zu klären, wie die geeignete Behandlung aussieht – sei es eine intensivere Unterstützung bei der Rehabilitation und Reintegration in den Alltag, sei es die Änderung der neuroleptischen Medikation, sei es eine Verlangsamung der weiteren Pläne oder sei es eine gesonderte antidepressive Behandlung.
In manchen Fällen ist die depressive Episode so ausgeprägt, dass wir von einer schizoaffektiven Psychose sprechen, d. h. dass in gleichem Maße schizophrene Symptome wie depressive oder auch manische Symptome vorhanden sind. Darüber hinaus treten als Sonderform Depressionen bei älteren Menschen auf. Hier sind die äußerlich mitbedingten psychosozialen Probleme besonders schwierig zu lösen.
Es gibt so genannte symptomatische und organische Depressionen. Das bedeutet, dass ein depressiver Verstimmungszustand eine andere Ursache hat, z. B. eine schwere körperliche Erkrankung. Dies können Operationen sein, aber auch schwere Infekte, Erkrankungen des Gehirns und anderes mehr. Außer der Behandlung der Grundkrankheit kann es vorübergehend wichtig sein, die depressiven Symptome mit Antidepressiva oder Tranquilizern zu behandeln.

Ursachen

Ähnlich wie bei den Schizophrenien liegt bei den schweren depressiven Psychosen eine Störung des Neurotransmitterstoffwechsels vor. Botenstoffe im Gehirn sind für die elektrische und chemische Reizwirkung zuständig. Bei den Depressionen scheint das Dopamin eine geringere Rolle zu spielen. In erster Linie scheint eine Störung der Serotoninverfügbarkeit vorzuliegen. Möglicherweise gleichzeitig oder in unterschiedlicher Gewichtung bei verschiedenen Kranken liegt ein Noradrenalinmangel vor. Wir wissen aber wenig darüber, wie diese Störungen zustande kommen.

Behandlung

Bei länger anhaltenden, schweren Depressionen bedarf es eindeutig einer Behandlung mit Antidepressiva, gelegentlich am Anfang zusätzlich mit Tranquilizern oder anderen sedierenden Medikamenten, bis die Antidepressiva greifen. In schweren Krisen kann eine stationäre Behandlung unerlässlich sein.
Zu Anfang sind depressive Symptome die »salonfähigsten« unter den psychischen Erkrankungen. Wenn sie jedoch anhaltend fortbestehen, wenn Klagen und Jammern und große Unruhe hinzutritt, wenn einem Kranken und einer Kranken ständig versichert werden muss, dass sie noch gemocht werden, dass sie den anderen noch etwas bedeuten, dass sie noch vernünftig denken und dass die depressive Episode ein Ende hat, kann der Umgang mühsam bis qualvoll werden.
Für Behandelnde wie Angehörige ist es entscheidend, die Geduld nicht zu verlieren. »Reiß dich zusammen«-Aufforderungen helfen nicht. Besser ist es, sich immer wieder abzugrenzen und für die Erfüllung der eigenen Bedürfnisse zu sorgen, um die Schwere der Depression mit dem Betroffenen durchzustehen.

Literatur

  • Bischkopf, J.: Angehörigenberatung bei Depressionen. Ernst Reinhardt Verlag, München 2005
  • Bischkopf, J.: So nah und doch so fern. Mit depressiv erkrankten Menschen leben. Balance buch + medien verlag, 2. Auflage, Bonn 2010
  • Hautzinger, M.: Ratgeber Depression. Informationen für Betroffene und Angehörige. Hogrefe, Göttingen 2006
  • Hell, D.: Welchen Sinn machen Depressionen? Ein integrativer Ansatz. Rowohlt, Hamburg 2006
  • Niklewski, G.; Riecke-Niklewski, E.: Depressionen überwinden. Stiftung Warentest 2005
  • Nuber, U.: Depressionen. Die verkannte Kankheit. dtv, München 2006
  • Pitschel-Waltz, G.: Lebensfreude zurückgewinnen. Ratgeber für Menschen mit Depressionen und deren Angehörige. Urban & Fischer, München 2003
  • Wolfersdorfer, M.: Depression. Die Krankheit bewältigen. Balance buch + medien verlag, 1. Auflage der Neuausgabe, Bonn 2010
 

Quelle: www.psychiatrie.de - mit freundlicher Genehmigung der Psychiatrie Verlags GmbH, Imprint BALANCE buch + medien verlag; Köln (D)

 

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Aktualisiert: 14. August 2014