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Was können Angehörigen und Freunde tun?

Eine Frau, die an Depression erkrankt war, schreibt:
Jeder, der selbst die Krankheit erlebt hat, wird mir zustimmen, dass sich Freunde zurückziehen. Dies geschieht aus verschiedenen Gründen:
Zum einen sind Menschen in einer Depression verdammt anstrengend. Sie reden oft viel und lange von sich selber und ihrer Krankheit. Alles dreht sich um ihre Befindlichkeit. Oder sie reden gar nichts. Wer hält das als Zuhörer schon aus?
Ein anderer Grund ist eine gewisse Hilflosigkeit. Man will helfen und weiss nicht wie. Da lindert kein Wadenwickel oder guter Zuspruch. Alles scheint ins Leere zu gehen. Nur wenigen gelingt es, das Richtige zu sagen, zu tun. Nur wenige Freunde haben den langen Atem.
Es sind einfache Dinge, die dem Depressiven den Alltag und die Krankheit erleichtern können.
Am liebsten waren mir die Menschen, die mich samt meiner Depression angenommen haben. Die nicht versuchten, mir die Krankheit auszureden (als wäre eine Depression eine eingeredete, eingebildete Krankheit). Noch erschwert haben meinen Zustand gutgemeinte Ratschläge, die meist damit begannen: „Du musst nur“, „versuch doch mal“, „du sollst“, „du darfst“ und „du darfst nicht“ und die alle mit Zusammenreissen, einen Tritt in den Hintern geben, sich nicht hängen lassen oder dem Rat nach einer Urlaubsreise endeten.
Ich war in der Regel zu schwach mich dieser Ratschläge und der Besserwisserei zu erwehren. Viel mehr geholfen haben mir da ganz praktische Angebote, z. B. die Begleitung zum Arzt, oder die Hilfe bei der Versorgung, jemand, der für mich einkauft, mich zu einem Frühstück oder einem Essen einlädt.
 Oft kann aber  die liebevollste Fürsorge einen Klinikaufenthalt nicht vermeiden.
Für mich war es eine grosse Erleichterung, dass mich jemand in die Klinik gefahren hat. Meine Tochter wusch mir die Wäsche während des langen Klinikaufenthaltes. Auch der Freundin bin ich dankbar, die mit mir in der Klinikzeit in ein Kaufhaus ging und mir half, Schnürsenkel und eine Gymnastikhose zu kaufen. So einfache Dinge können zum ganz grossen Problem werden.
Einen Kartengruss oder Besuch in der Klinik zu bekommen, ist etwas Schönes. Da braucht es keine grossen Blumensträusse und Geschenke, wichtiger ist, dass jemand Zeit hat und da ist. Viele Besucher haben Angst davor und stellen erstaunt fest, dass eine psychiatrische Klinik kein Gefängnis ist.
Schwieriger war es für mich, wenn sich Besuch zuhause angemeldet hat.. Meine Erwartungen (nicht unbedingt die der Besucher) den Gästen etwas anbieten zu müssen, brachten mich in grosse Bedrängnis, konnte ich doch kaum für mich selber sorgen.
Es macht einen grossen Unterschied, ob man (nach der Klinik) in einer Familie erwartet wird oder in ein Alleinleben zurückkehrt, das im gesunden Zustand ganz gut bewältigt wird. In der Depression ist eben alles anders.
Geholfen hat mir auch das Wissen, dass von der Depression kein Schaden zurückbleibt. Da sterben nicht etwa Hirnzellen ab. Nach Abklingen der Depression ist man so klug oder so dumm wie vorher. Es ist, als wäre alles nur ein böser Traum gewesen.
Und dann ist da dieses Zitat der Freundin: „Ich weiss, es geht dir sehr schlecht, aber ich weiss auch, jede Depression geht vorbei.“ Das wurde für mich ein ganz wichtiger Satz, weil ich nicht mehr glauben konnte, jemals da wieder rauszukommen.
 
Copyright by Tobler Verlag AG; Auszug aus "Achterbahn der Gefühle" von Renata Schläpfer und Gertrud Vonesch